Veröffentlicht am März 11, 2024

Entgegen der Annahme, die Cloud sei primär ein IT-Thema zur Kostensenkung, ist sie in Wahrheit ein strategischer Kulturwandel, der über die Zukunftsfähigkeit deutscher Unternehmen entscheidet.

  • Die Wahl des richtigen Service- (IaaS, PaaS, SaaS) und Betriebsmodells (Public, Private, Hybrid) ist keine technische, sondern eine geschäftsstrategische Entscheidung.
  • Datensouveränität (DSGVO-Konformität) und die Vermeidung versteckter Kostenfallen sind für den Erfolg in Deutschland entscheidender als die reine Rechenleistung.

Empfehlung: Beginnen Sie nicht mit der Frage „Welche Technologie?“, sondern mit „Welches Geschäftsproblem wollen wir lösen und wie kann die Cloud als strategischer Hebel dafür dienen?“.

Die Entscheidung für oder gegen die Cloud wird in vielen deutschen Unternehmen noch immer als rein technische Abwägung betrachtet. Man vergleicht Serverkosten, diskutiert über Skalierbarkeit und verliert sich in den Akronymen IaaS, PaaS und SaaS. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Cloud-Computing ist längst keine reine IT-Infrastruktur-Frage mehr, sondern ein fundamentaler Kulturwandel, der die Agilität, Innovationskraft und letztlich die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens bestimmt. Während viele Ratgeber die technologischen Grundlagen erklären, übersehen sie oft die strategischen Implikationen, die gerade für den deutschen Mittelstand von entscheidender Bedeutung sind.

Doch was, wenn die wahre Herausforderung nicht darin besteht, die Cloud zu verstehen, sondern sie richtig für die eigenen Geschäftsziele zu nutzen? Wenn die Debatte über Public vs. Private Cloud weniger wichtig ist als die Frage der Datensouveränität im Kontext der DSGVO? Dieser Artikel bricht mit der rein technologischen Sichtweise. Wir betrachten Cloud-Computing als strategischen Hebel und zeigen Ihnen, wie Sie die richtigen Modelle für Ihr Unternehmen auswählen, den Sicherheitsmythos entkräften und die gefürchteten Kostenfallen und DSGVO-Hürden souverän meistern. Wir gehen über die Definitionen hinaus und konzentrieren uns auf die anwendungsorientierte Strategie, die Ihr Unternehmen zukunftssicher macht.

Dieser Leitfaden ist strukturiert, um Sie von den grundlegenden Modellen bis zu den komplexen strategischen Entscheidungen zu führen. Jede Sektion baut auf der vorherigen auf, um Ihnen ein umfassendes Verständnis der strategischen Dimension des Cloud-Computings für den deutschen Markt zu vermitteln.

Inhaltsverzeichnis: Cloud-Computing als strategischer Hebel für Ihr Unternehmen

IaaS, PaaS, SaaS: Die Service-Modelle der Cloud verständlich erklärt

Der erste Schritt zur strategischen Nutzung der Cloud ist das Verständnis der drei grundlegenden Service-Modelle: Infrastructure as a Service (IaaS), Platform as a Service (PaaS) und Software as a Service (SaaS). Anstatt sie als technische Kategorien zu sehen, sollten Sie sie als unterschiedliche Stufen der Verantwortungsabgabe betrachten. Jedes Modell dient einem anderen Geschäftszweck und adressiert eine andere Zielgruppe innerhalb Ihres Unternehmens. Die Wahl ist also kein technisches Detail, sondern die erste Weiche für Ihren strategischen Hebel in der Cloud.

IaaS bietet die grundlegendste Infrastruktur – virtuelle Maschinen, Speicher und Netzwerke. Hier behält Ihr IT-Team die maximale Kontrolle über Betriebssysteme und Anwendungen. Es ist der ideale Weg, um bestehende Serverlandschaften flexibel zu erweitern oder zu ersetzen. PaaS geht einen Schritt weiter und stellt eine komplette Entwicklungs- und Bereitstellungsplattform zur Verfügung. Ihre Entwickler können sich auf das Programmieren von Anwendungen konzentrieren, ohne sich um die darunterliegende Infrastruktur kümmern zu müssen. SaaS schließlich ist das bekannteste Modell: fertige Software, die per Abonnement genutzt wird, wie z.B. CRM- oder HR-Systeme. Hier liegt der Fokus auf dem direkten Geschäftsnutzen für die Fachabteilungen.

Schematische Darstellung der drei Cloud-Service-Ebenen als gestapelte Schichten

Diese visuelle Gliederung verdeutlicht, wie jedes Modell auf dem vorherigen aufbaut und den Grad der Eigenverantwortung reduziert. Die Entscheidung für ein Modell hängt direkt von Ihren internen Ressourcen und strategischen Zielen ab: Wollen Sie die Kontrolle behalten (IaaS), die Entwicklung beschleunigen (PaaS) oder sich vollständig auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren (SaaS)? Die folgende Tabelle ordnet die Modelle spezifischen Zielgruppen und deutschen Anbietern zu.

Die Auswahl des richtigen Service-Modells ist eine fundamentale strategische Entscheidung, die festlegt, wie viel Kontrolle Sie behalten und welche Ressourcen Sie intern vorhalten müssen, wie dieser Vergleich zeigt.

Vergleich der drei Cloud-Service-Modelle für deutsche Unternehmen
Service-Modell Was wird bereitgestellt? Zielgruppe Deutsche/Europäische Beispiele
IaaS Virtuelle Maschinen, Speicher, Netzwerke Systemadministratoren, IT-Teams IONOS, Hetzner, OVHcloud
PaaS Entwicklungsplattform mit Tools Entwicklerteams SAP Business Technology Platform
SaaS Fertige Software-Anwendungen Fachabteilungen (HR, Marketing) Personio, DATEV, Celonis

Letztendlich geht es darum, das Modell zu finden, das Ihr Unternehmen am besten dabei unterstützt, seine Ressourcen auf wertschöpfende Tätigkeiten zu konzentrieren, anstatt auf die Verwaltung von IT-Infrastruktur.

Public, Private, Hybrid Cloud: Welches Cloud-Modell ist das richtige für Ihr Unternehmen?

Nach der Entscheidung für ein Service-Modell (das „Was“) folgt die strategische Wahl des Betriebsmodells (das „Wo“): Public, Private oder Hybrid Cloud. Auch hier handelt es sich nicht um eine rein technische, sondern um eine geschäftspolitische Entscheidung, die Aspekte wie Kontrolle, Sicherheit, Kosten und Innovationsgeschwindigkeit gegeneinander abwägt. Die Public Cloud, betrieben von Hyperscalern wie AWS oder Azure, bietet maximale Skalierbarkeit und ein breites Dienstleistungsportfolio. Sie ist der Motor für schnelle Innovation. Die Private Cloud hingegen bietet maximale Kontrolle und Sicherheit, da die Infrastruktur exklusiv für Ihr Unternehmen betrieben wird, sei es im eigenen Rechenzentrum oder bei einem dedizierten Hoster.

Für die meisten deutschen Unternehmen ist jedoch weder das eine noch das andere Extrem die optimale Lösung. Die Hybrid Cloud hat sich als bevorzugtes Modell etabliert, da sie das Beste aus beiden Welten vereint. Laut aktuellen Marktdaten zeigt sich, dass bereits 82% der deutschen Unternehmen 2024 Cloud Computing nutzen, wobei die Hybrid Cloud eine dominierende Rolle spielt. Dieses Modell ermöglicht es, sensible Daten und kritische Systeme (z.B. ein ERP-System) in einer Private Cloud oder On-Premise zu belassen und gleichzeitig die flexiblen und innovativen Dienste der Public Cloud für weniger kritische Anwendungen oder für die Analyse großer Datenmengen zu nutzen.

Ein typisches Beispiel aus dem deutschen Mittelstand ist ein Maschinenbauer, der seine Industrie 4.0-Strategie auf einer Hybrid Cloud aufbaut. Das unternehmenskritische SAP S/4HANA-System mit wertvollen Produktionsdaten verbleibt aus Kontroll- und Sicherheitsgründen im eigenen Rechenzentrum (On-Premise). Gleichzeitig werden die IoT-Sensordaten der weltweit im Einsatz befindlichen Maschinen in eine skalierbare Public Cloud gestreamt, um dort mit fortschrittlichen Analysetools ausgewertet zu werden. So werden Geschäftsgeheimnisse geschützt, während man von der Innovationsgeschwindigkeit der Hyperscaler profitiert. Dieser Ansatz maximiert die Datensouveränität und Flexibilität zugleich.

Die richtige Wahl hängt also nicht von der Technologie ab, sondern von einer klaren Klassifizierung Ihrer Daten und Prozesse: Was ist kritisch und muss unter Ihrer vollen Kontrolle bleiben, und wo können Sie die Stärken der Public Cloud als strategischen Hebel für Wachstum und Innovation einsetzen?

Der Sicherheits-Mythos: Warum die Cloud oft sicherer ist als Ihr eigener Serverraum

Eine der größten Hürden bei der Cloud-Adoption in Deutschland ist die Sorge um die Sicherheit. Der Gedanke, unternehmenskritische Daten „aus der Hand zu geben“, löst bei vielen Geschäftsführern Unbehagen aus. Doch dieser Sicherheits-Mythos basiert oft auf einem Missverständnis. Die Frage sollte nicht lauten, „ob“ die Cloud sicher ist, sondern „wie“ man sie sicher nutzt. Tatsächlich kann eine professionell gemanagte Cloud-Umgebung ein deutlich höheres Sicherheitsniveau bieten als der durchschnittliche Serverraum eines mittelständischen Unternehmens.

Hyperscaler wie AWS, Microsoft Azure und Google Cloud investieren jährlich Milliarden in die physische und digitale Sicherheit ihrer Rechenzentren. Sie beschäftigen tausende von Sicherheitsexperten und unterziehen sich kontinuierlich den strengsten internationalen Zertifizierungen (wie ISO 27001, SOC 2). Dieses Level an Expertise und Investition kann kaum ein mittelständisches Unternehmen für sich allein aufbringen. Die Sicherheit in der Cloud basiert auf einem Modell der geteilten Verantwortung (Shared Responsibility Model): Der Anbieter ist für die Sicherheit „der“ Cloud verantwortlich (Infrastruktur, Hardware), während der Kunde für die Sicherheit „in“ der Cloud verantwortlich ist (Daten, Zugriffsberechtigungen, Konfiguration).

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die höchste deutsche Instanz für IT-Sicherheit, definiert Cloud Computing als eine dynamische und bedarfsgerechte Bereitstellung von IT-Dienstleistungen. Diese offizielle Definition unterstreicht den Service-Charakter und die Professionalität, die hinter dem Konzept stehen. Wie das BSI in seinen Grundlagen hervorhebt:

Cloud Computing bezeichnet das dynamisch an den Bedarf angepasste Anbieten, Nutzen und Abrechnen von IT-Dienstleistungen über ein Netz.

– Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), BSI Cloud Computing Grundlagen

Der strategische Fehler liegt darin, die Cloud als unsicheren Ort zu betrachten, anstatt sie als Chance zu sehen, von erstklassigen Sicherheitsstandards zu profitieren. Die eigentliche Schwachstelle ist oft nicht die Cloud-Technologie selbst, sondern eine fehlerhafte Konfiguration durch den Anwender. Eine gut durchdachte Cloud-Strategie verlagert den Fokus von der Frage, ob der eigene Serverraum sicherer ist, hin zur Frage, wie man die mächtigen Sicherheitswerkzeuge der Cloud-Anbieter korrekt einsetzt.

Die Verlagerung in die Cloud ist somit kein Sicherheitsrisiko, sondern eine Chance zur Professionalisierung der eigenen IT-Sicherheit, vorausgesetzt, man nimmt seine Verantwortung im Shared Responsibility Model ernst.

Die DSGVO-Falle in der Cloud: Wie Sie US-Anbieter wie AWS oder Azure rechtskonform in Deutschland nutzen

Während die technische Sicherheit in der Cloud oft höher ist als On-Premise, stellt die rechtliche Sicherheit – insbesondere die Konformität mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – eine reale Herausforderung für deutsche Unternehmen dar. Das Kernproblem ist die Dominanz von US-amerikanischen Anbietern. Die aktuelle Marktsituation zeigt, dass AWS, Azure und Google Cloud mit über 60% den deutschen Cloud-Markt dominieren. Dies führt zu einem potenziellen Konflikt mit der DSGVO, da US-Behörden unter bestimmten Gesetzen (wie dem CLOUD Act) theoretisch Zugriff auf Daten verlangen könnten, selbst wenn diese auf Servern in Europa gespeichert sind.

Diese „DSGVO-Falle“ verunsichert viele Entscheider. Doch es gibt klare strategische Wege, um US-Anbieter rechtskonform zu nutzen. Der erste und wichtigste Schritt ist die Wahl des richtigen Serverstandorts. Alle großen Anbieter betreiben Rechenzentren in Deutschland (z.B. in Frankfurt oder Berlin), was eine grundlegende Voraussetzung für die DSGVO-Konformität ist. Zweitens müssen die Daten während der Übertragung und im Ruhezustand (at rest) konsequent verschlüsselt werden, idealerweise mit Schlüsseln, die ausschließlich unter der Kontrolle des Kunden stehen (Customer-Managed Keys). Drittens ist der Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrags (AVV) mit den entsprechenden EU-Standardvertragsklauseln zwingend erforderlich.

Symbolische Darstellung des europäischen Datenschutzes in der Cloud

Für Unternehmen mit besonders sensiblen Daten oder für den öffentlichen Sektor, wo maximale Rechtssicherheit gefordert ist, gewinnen europäische Alternativen an Bedeutung. Initiativen wie GAIA-X zielen darauf ab, eine souveräne europäische Dateninfrastruktur zu schaffen. Konkreter sind bereits heute verfügbare „Sovereign Cloud“-Angebote. Diese Lösungen, wie die Open Telekom Cloud von T-Systems oder die Oracle EU Sovereign Cloud, garantieren, dass alle Daten ausschließlich in der EU verbleiben und von EU-ansässigem Personal verwaltet werden. Sie bieten somit die höchste Stufe der Datensouveränität und minimieren die Risiken im Zusammenhang mit US-Gesetzen.

Die strategische Entscheidung liegt in der Abwägung zwischen dem riesigen Funktionsumfang der US-Hyperscaler und dem Bedürfnis nach maximaler Rechtssicherheit, das durch europäische Sovereign-Cloud-Angebote erfüllt wird.

Cloud-Anbieter im Vergleich: Worin sich AWS, Azure und Google Cloud wirklich unterscheiden

Wenn die strategischen Grundlagen geklärt sind, rückt die Auswahl des passenden Anbieters in den Fokus. Auf den ersten Blick scheinen die drei großen Hyperscaler – Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud Platform (GCP) – austauschbar zu sein. Sie alle bieten ein breites Spektrum an IaaS- und PaaS-Diensten, globale Rechenzentren und Pay-as-you-go-Preismodelle. Die strategischen Unterschiede liegen jedoch im Detail, in ihrer Herkunft und in ihren jeweiligen Stärken, die sie für unterschiedliche Unternehmensprofile besonders attraktiv machen.

AWS ist der unangefochtene Marktführer und Pionier im Cloud-Computing. Seine größte Stärke ist das schier unendliche Portfolio von über 200 Diensten. Diese enorme Auswahl und die „API-first“-Mentalität machen AWS besonders attraktiv für Start-ups und digital-native Unternehmen, die schnell skalieren und neue Technologien ausprobieren wollen. Microsoft Azure punktet vor allem bei etablierten Unternehmen, die bereits stark in der Microsoft-Welt verankert sind. Die nahtlose Integration mit Windows Server, Office 365 und Active Directory sowie die ausgereiften Hybrid-Cloud-Lösungen (Azure Arc) sind entscheidende Vorteile für den deutschen Mittelstand. Google Cloud hat sich eine Nische als Spezialist für Datenanalyse, maschinelles Lernen (KI/ML) und Container-Technologien (Kubernetes) erobert. Unternehmen mit datenintensiven Anwendungen, die auf BigQuery oder die leistungsstarken KI-Plattformen von Google setzen, finden hier oft die beste Lösung.

Neben den drei Großen sollten deutsche Unternehmen jedoch auch europäische Anbieter wie IONOS oder OVHcloud in Betracht ziehen. Ihr entscheidender Vorteil ist die garantierte DSGVO-Konformität und der Fokus auf Datensouveränität, gepaart mit deutschsprachigem Support und einer Preisstruktur, die oft einfacher und transparenter ist als bei den Hyperscalern. Für viele Mittelständler, deren primäres Anliegen der sichere und rechtskonforme Betrieb von Standardanwendungen ist, können diese Anbieter der strategisch klügere Partner sein.

Um die richtige Wahl zu treffen, ist es hilfreich, die Stärken und die ideale Zielgruppe jedes Anbieters zu kennen, wie eine detaillierte Analyse der Stärken und Schwächen verdeutlicht.

Die großen Cloud-Anbieter für den deutschen Markt
Anbieter Stärken Ideal für Deutsche Präsenz
AWS Größtes Service-Portfolio, Marktführer Start-ups, digitale Geschäftsmodelle 3 Verfügbarkeitszonen Frankfurt
Azure Microsoft-Integration, Hybrid Cloud Etablierte Unternehmen mit Windows-Umgebung Regionen Frankfurt & Berlin
Google Cloud KI/ML-Spezialist, BigQuery Datenintensive Analysen 3 Zonen Frankfurt
IONOS/OVHcloud DSGVO-konform, deutscher Support Mittelstand mit Datenschutz-Fokus Lokale Rechenzentren

Die beste Wahl ist nicht der Anbieter mit den meisten Features, sondern derjenige, dessen Stärken, Kultur und strategischer Fokus am besten zu den Zielen und der bestehenden Technologielandschaft Ihres Unternehmens passen.

Cloud-ERP vs. On-Premise: Die strategische Entscheidung für Ihr Unternehmen

Kaum eine Entscheidung verdeutlicht den strategischen Charakter des Cloud-Computings so sehr wie die Wahl des Betriebsmodells für das Enterprise-Resource-Planning (ERP)-System. Das ERP ist das digitale Herz vieler deutscher Unternehmen, insbesondere im produzierenden Gewerbe. Die Frage „Cloud-ERP oder On-Premise?“ ist daher weit mehr als eine technische Abwägung – es ist eine Weichenstellung für die zukünftige Prozesslandschaft und Unternehmenskultur. Der Trend ist eindeutig: Eine aktuelle Erhebung belegt, dass 97% der deutschen Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten bereits 2023 Cloud-Computing in irgendeiner Form nutzten. Diese Entwicklung macht auch vor dem ERP-System nicht halt.

Das klassische On-Premise-ERP, im eigenen Rechenzentrum betrieben, bietet maximale Kontrolle und ermöglicht tiefgreifende individuelle Anpassungen (Customizing). Dies war lange Zeit der Standard in traditionsreichen deutschen Unternehmen, wo über Jahre hinweg hochspezifische Prozesse abgebildet wurden. Dieser Vorteil ist jedoch gleichzeitig sein größter Nachteil: Hohe Anfangsinvestitionen (CapEx), langwierige Update-Zyklen und eine „Customizing-Falle“, die Innovationen bremst, sind die Kehrseite der Medaille. Das Cloud-ERP, meist als SaaS-Lösung, dreht dieses Modell um. Es erfordert geringere Anfangsinvestitionen (OpEx statt CapEx), bietet automatische Updates und fördert die Nutzung von standardisierten Best-Practice-Prozessen.

Ein prominentes Beispiel ist die Migration zu SAP S/4HANA. Mit dem Programm „RISE with SAP“ forciert SAP den Weg in die Cloud. Für viele deutsche Bestandskunden bedeutet dies einen tiefgreifenden kulturellen Wandel. Die Cloud-Variante erzwingt eine Abkehr von über Jahrzehnte gewachsenen Individualprozessen hin zu einer stärkeren Prozessstandardisierung. Dies kann zunächst schmerzhaft sein, setzt aber Ressourcen frei und erhöht die Agilität des Unternehmens. Die Entscheidung ist also nicht nur „Technik A vs. Technik B“, sondern „maximale Individualisierung vs. standardisierte Effizienz und Innovationsgeschwindigkeit“.

Letztlich muss jedes Unternehmen abwägen, ob seine einzigartigen Prozesse einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen, der den Aufwand eines On-Premise-Betriebs rechtfertigt, oder ob die Adaption von Cloud-basierten Standards nicht der schnellere Weg zu mehr Effizienz und Innovation ist.

Die Kostenfrage: Ist die Cloud wirklich immer günstiger als ein eigener Server?

Eines der hartnäckigsten Versprechen des Cloud-Computings ist die Kostensenkung. Das Argument, hohe Anfangsinvestitionen (CapEx) für Hardware durch flexible monatliche Betriebskosten (OpEx) zu ersetzen, ist verlockend. Doch die Annahme, die Cloud sei pauschal günstiger, ist ein gefährlicher Trugschluss und führt oft in eine unerwartete Kostenfalle. Eine strategische Herangehensweise an die Cloud-Kosten erfordert eine ehrliche Total Cost of Ownership (TCO)-Analyse und die Etablierung einer kontinuierlichen Kostenkontrolle, auch bekannt als FinOps-Kultur.

Ein einfacher Vergleich von Server-Mietpreisen mit den Anschaffungskosten für Hardware greift zu kurz. Bei einer On-Premise-Lösung müssen alle versteckten Kosten berücksichtigt werden: Strom, Kühlung, Raummiete, Administrationsaufwand durch IT-Personal, Wartungsverträge und Softwarelizenzen. Auf der anderen Seite lauern in der Cloud ebenfalls versteckte Kosten. Insbesondere die „Egress-Kosten“, also Gebühren für den ausgehenden Datenverkehr, können bei datenintensiven Anwendungen explodieren. Auch eine unkontrollierte Überprovisionierung von Ressourcen, weil Entwickler „sicherheitshalber“ zu große virtuelle Maschinen buchen, treibt die Rechnung schnell in die Höhe. Es ist daher keine Überraschung, dass Geschäftsinhaber beklagen, dass rund 30% des Cloud-Budgets laut Unternehmen verschwendet werden.

Der Schlüssel zu einer validen Kosteneinschätzung ist eine umfassende TCO-Analyse, die alle direkten und indirekten Kosten beider Szenarien gegenüberstellt. Noch wichtiger ist jedoch der kulturelle Wandel hin zu FinOps. FinOps steht für „Cloud Financial Operations“ und beschreibt die Praxis, finanzielle Verantwortlichkeit in das variable Ausgabenmodell der Cloud zu bringen. Es geht darum, Transparenz zu schaffen, die Nutzung kontinuierlich zu überwachen und die Kosten aktiv zu optimieren, anstatt am Monatsende von der Rechnung überrascht zu werden.

Checkliste zur Kostenanalyse: Cloud vs. On-Premise

  1. On-Premise-Kosten erfassen: Inventarisieren Sie alle Kostenpunkte, einschließlich Hardware-Anschaffung, Strom, Kühlung, Raummiete, IT-Personalgehälter und Wartungsverträge.
  2. Cloud-Kosten kalkulieren: Holen Sie Angebote ein und berücksichtigen Sie Nutzungsgebühren, Support-Pakete, potenzielle Egress-Kosten für Datenverkehr und den internen Schulungsaufwand.
  3. Versteckte Cloud-Kosten identifizieren: Analysieren Sie Ihr Nutzungsverhalten. Wo fallen große Datentransfers an? Besteht die Gefahr der Überprovisionierung ohne striktes Monitoring?
  4. FinOps-Praktiken einführen: Implementieren Sie Tools zur kontinuierlichen Kostenüberwachung und weisen Sie den jeweiligen Teams oder Projekten Budgets und Verantwortung zu.
  5. Opportunitätskosten bewerten: Beziffern Sie die Kosten verpasster Innovation oder verlorener Agilität, die durch den Betrieb veralteter On-Premise-Systeme entstehen.

Die Frage ist also nicht, ob die Cloud günstiger ist, sondern: Haben Sie die Prozesse und die Kultur etabliert, um die Kostenvorteile der Cloud auch wirklich zu realisieren und die Kostenfallen zu vermeiden?

Das Wichtigste in Kürze

  • Cloud-Computing ist keine IT-Entscheidung, sondern ein strategischer Hebel für die Geschäftsentwicklung und erfordert einen Kulturwandel.
  • Für deutsche Unternehmen sind Datensouveränität (DSGVO) und die Wahl europäischer oder souveräner Cloud-Optionen oft wichtiger als das letzte Feature eines US-Hyperscalers.
  • Die wahren Kosten der Cloud liegen nicht im Mietpreis, sondern in unkontrollierten Ausgaben (Kostenfalle). Eine FinOps-Kultur ist für den wirtschaftlichen Erfolg unerlässlich.

On-Demand–Software (SaaS): Wie Sie per Abo immer die beste Software für Ihr Unternehmen nutzen

Software as a Service (SaaS) ist die am weitesten verbreitete und zugänglichste Form des Cloud-Computings. Anstatt Software zu kaufen, zu installieren und zu warten, mieten Unternehmen sie einfach über ein Abonnement. Dieses Modell hat die Art und Weise, wie Unternehmen Software nutzen, revolutioniert und stellt den ultimativen strategischen Hebel dar, um sich auf das eigene Kerngeschäft zu konzentrieren. Der Grundgedanke ist simpel, aber wirkungsvoll: Warum sollte ein Maschinenbauer Ressourcen für den Betrieb eines E-Mail-Servers oder einer HR-Software aufwenden, wenn dies nicht zu seiner Kernkompetenz gehört?

Durch die Nutzung von SaaS-Lösungen profitieren Unternehmen von zahlreichen Vorteilen: Die Software ist immer auf dem neuesten Stand, die Kosten sind planbar und es sind keine internen IT-Ressourcen für Wartung und Updates erforderlich. Dies ermöglicht es selbst kleinen und mittelständischen Unternehmen, Zugang zu hochprofessionellen Anwendungen zu erhalten, die früher nur Großkonzernen vorbehalten waren. Der deutsche Markt hat hier selbst einige hocherfolgreiche Champions hervorgebracht. Unternehmen wie Personio (HR-Software), Celonis (Process Mining) oder Staffbase (Mitarbeiter-App) zeigen die Innovationskraft des Standorts und ermöglichen es dem deutschen Mittelstand, sich auf das zu konzentrieren, was er am besten kann.

Der CEO der weclapp GmbH, Ertan Özdil, fasst diesen strategischen Vorteil prägnant zusammen. Seine Aussage bringt den Kern der SaaS-Philosophie auf den Punkt:

Die Kernkompetenz eines deutschen Maschinenbauers ist der Maschinenbau, nicht der Betrieb eines E-Mail-Servers.

– Ertan Özdil, CEO weclapp GmbH

Diese Denkweise ist der Schlüssel. Jede Minute, die Ihre IT-Abteilung nicht für die Wartung von Standardanwendungen aufwenden muss, ist eine Minute, die in die Digitalisierung Ihrer Kernprozesse oder die Entwicklung neuer digitaler Produkte fließen kann. SaaS ist somit mehr als nur eine bequeme Art, Software zu nutzen – es ist eine strategische Entscheidung zur Fokussierung der eigenen Kräfte.

Die konsequente Nutzung von SaaS für alle Nicht-Kernprozesse ist ein mächtiger Schritt. Erwägen Sie, welche Standardprozesse in Ihrem Unternehmen durch SaaS-Lösungen effizienter gestaltet werden könnten.

Für eine fundierte Cloud-Strategie sollten Sie daher eine klare Inventur Ihrer Anwendungslandschaft durchführen: Identifizieren Sie alle Systeme, die nicht direkt zu Ihrem Wettbewerbsvorteil beitragen, und evaluieren Sie konsequent den Umstieg auf eine führende SaaS-Lösung.

Geschrieben von Niklas Richter, Dr. Niklas Richter ist ein seit über 15 Jahren etablierter Unternehmensberater mit einem Fokus auf digitale Transformation und Technologiestrategie. Seine Expertise liegt in der Implementierung von KI- und Cloud-Lösungen in mittelständischen Unternehmen im DACH-Raum.